Do it yourself – Autonomie-Training

DO IT YOURSELF: ANLEITUNG ZUM SYSTEMISCHEN AUTONOMIE-TRAINING

Hinweis: Diese DO IT YOURSELF Anleitung ist erstellt worden, um seine Abgrenzungsfähigkeit selber zu testen und – wenn erforderlich, in ersten Schritten selber zu bearbeiten.

AUTONOMIE meint die Fähigkeit, selbst-bestimmt, gemäss der eigenen Überzeugung und Wahrnehmung zu leben, statt fremdbestimmt und abhängig.

Das ermöglicht KONFLIKTFÄHIGKEIT: das heisst auch im Kontakt, in der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber bei sich zu bleiben, das Eigene spüren und vertreten zu können.

DISTANZ UND AUTONOMIE

Du kannst nur dann bei dir selber bleiben, wenn du einen eigenen geschützten Raum hast, wenn du eine gesunde innere Distanz („Grenze“) gegenüber dem Anderen hast, wenn du dich gegenüber dem Anderen innerlich abgrenzen kannst.

Fehlt dir diese Distanz, dann bist du in Gefahr,

  • die Erwartungen und die Überzeugungen des Gegenübers zu übernehmen, als wären es deine Eigenen, oder
  • dich gegen sie zu wehren, als würde der Andere von dir erwarten, dass du dich anpasst.

Oder du erwartest deinerseits,

  • dass der Andere sich an deine Vorstellungen anpasst, als müsse das so sein.

Das ist die häufigste Ursache für Konflikte!

Hier findest du ein „Drehbuch“ für eine besondere Art der Selbst-Erfahrung! Du kannst selber überprüfen, ob du deinen „eigenen seelischen Raum“ hast, als entscheidende Voraussetzung dafür, bei dir selbst zu sein, mit dir selbst identisch zu sein.

Oder ob du unbewusst dazu neigst, mit deinem Gegenüber einen „gemeinsamen seelischen Raum“ zu etablieren, bei dem es keine eindeutige Grenze, keine eindeutige Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden gibt.

Vorbereitung:

  • Requisiten: vier Stühle, zwei „schöne“ Kissen – für das „erwachsene“ und für das „kindliche“ Selbst – ein Schal und ein etwa 2-3-kg schwerer Kieselstein.
  • Assistent: Gut wäre es, wenn du einen „Assistenten“ hättest, der dir hilft, dich an das „Drehbuch“ zu halten.

Hinweis: Bei Klienten, die seelische oder körperliche Gewalt erfahren oder eine Psychose gehabt haben, kann bereits die Imagination einer Gegenüberstellung mit einem „Täter“ heftige Gefühle auslösen, denen der Klient noch nicht gewachsen ist. In diesen Fällen ist der erste Schritt die Annäherung und Verbindung mit den abgespaltenen Selbst-Anteilen. Wegen der Gefahr einer erneuten Traumatisierung sollte die Behandlung nur von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden. 

EINFÜHRUNG

Abgrenzung

 

Deine Fähigkeit, dich abzugrenzen, kannst du sehr einfach selbst überprüfen:

Du stellst dich in den Raum, prüfst, ob du dich selbst spüren kannst.
Du stellst einen Repräsentanten (Stuhl) für die Person auf, mit der du eine schwierige Beziehung hast – vielleicht, weil die gesunde Distanz fehlt – z.B. einen Vorgesetzten (Arbeitskollegen, Partner) und zwar in dem Abstand, wie du es fühlst.

Du prüfst, ob sich dadurch deine Eigenwahrnehmung verändert hat.
Meist ist das der Fall. Du stehst viel zu dicht bei deinem „Chef“ – Verschmelzungs-tendenz – oder extrem weit weg von ihm: Überabgrenzung.

Dann kannst du im Raum den Abstand zu deinem „Chef“ verändern, den Platz suchen, an dem du dich wieder spüren kannst.

In einzelnen dramatischen Fällen von extrem geringer Abgrenzung ist das erst möglich, wenn du einen Paravent(!) zwischen dich und den „Chef“ – repräsentiert durch einen Stuhl – stellst!

Das ist ein deutlicher Hinweis auf fehlende Abgrenzung!

Deine Fähigkeit zur Abgrenzung kannst du in weiteren Schritten überprüfen, und gegebenenfalls durch Lösungs-Sätze und -Rituale verändern. Die Veränderung lässt sich sofort spüren.

Sage dir vor: Ich bin vollständig ohne den „Chef“, der „Chef“ ist vollständig ohne mich. Ich bin nicht ein Teil des „Chef´s“, der „Chef“ ist nicht ein Teil von mir!

Wie fühlt sich das an? Verboten? Dann wäre das ein weiterer Hinweis auf fehlende Abgrenzung!

Deine Selbst-Anteile

Als Kind warst du gezwungen, dich an die Eltern und ihre Bedürfnisse anzupassen. Damit ist meist verbunden eine unbewusste Unterdrückung – „Abspaltung“ – eigener Selbstanteile. Vielleicht kennst du sie gar nicht! Aber sie gehören zu deiner „Grundausstattung“ dazu! Du kannst sie nicht verlieren – aber die Verbindung zu ihnen kann beeinträchtigt sein!

Du stellst einen Stuhl – mit z.B. einem roten Meditationskissen – für deinen „erwachsenen“ Selbst-Anteil auf, der sich frei und unbeschwert fühlt, der es nicht braucht, gebraucht zu werden, der nicht mit-leiden muss, wenn ein anderer leidet.

Hast du ihn, den „wilden Kerl“ versteckt, um dich ganz auf Mutter oder Vater einzustellen, um sie nicht zu erschrecken?

Dann stellst du einen zweiten Stuhl mit Kissen auf für deinen „kindlichen“ Selbstanteil, der bedürftig und verletzlich ist, der auch unerwünschte Gefühle haben darf, wie Angst, Wut und Hass. Hast du auch dein „inneres Kind“ mit seinen Verletzungen, mit seiner Vitalität versteckt, um es vor Verletzungen zu schützen oder um die Mutter zu schonen?

Vielleicht stellst du diese Stühle weit entfernt von dir auf, dabei wird dir die Tatsache deiner Selbst-Entfremdung schmerzhaft bewusst.

Sind dir diese Teile vertraut? Lehnst du sie ab? Fehlen sie dir? Spürst du vielleicht Sehnsucht danach, vollständig zu sein, ganz du selbst zu sein?

Hier wird das Dilemma der Symbiose deutlich, das Problem, gleichzeitig mit dir selbst im Kontakt zu bleiben, wenn du z. B. dem „Chef“ nahe bist. In der Symbiose hast du – so scheint es – nur die Wahl, mit dem Gegenüber verbunden zu sein – und dabei dich selbst zu verlieren, oder mit dir selbst verbunden zu sein und dabei das Gegenüber zu verlieren.

Du kannst die beiden Grundbedürfnisse, nach Nähe und nach Autonomie, nicht miteinander verbinden, WEIL DEINE INNERE GRENZE FEHLT!

Das Fehlen der inneren Grenze

So kommt es zum bekannten Wipp-Phänomen, dem kraftraubenden Wechsel zwischen Überanpassung (Verschmelzung) und Überabgrenzung.

Da du dich im Kontakt nicht abgrenzen kannst, neigst du zur Verschmelzung. Um dich selbst wieder zu spüren, bleibt dir nur der Kontakt-Abbruch – Überabgrenzung. Ohne „innere Grenze“ hast du nicht den „inneren Raum“, der es dir ermöglicht, mit allen Selbst-Anteilen verbunden zu bleiben, ganz egal, ob dein Gegenüber damit einverstanden ist oder nicht.

LÖSUNGSSCHRITTE

Überprüfen einer Verschmelzung…

Als nächstes stell dich auf den Platz des „Chef“ und spüre, ob du dich auch auf diesem Platz „auskennst“?

Manchmal kann man sich so gut in einen anderen hineinversetzen, dass man gar nicht mehr aus ihm herauskommt!

Übernimmst du Erwartungen deines Chefs, oder seine Überzeugungen – z.B deine negative Bewertung durch ihn – als seien es deine eigenen! Oder als seist du verpflichtet, sie zu den eigenen zu machen!?

Bist du mehr auf „dem Boot des Chef“, als auf deinem eigenen? – Oder ist er „Lotse oder „Kapitän“ auf deinem Boot?

Oder denkst du, du würdest den Job deines Chefs besser machen als er? Dann fühlst du dich ihm überlegen, – der „verborgene Gewinn“ – aber du verlierst den Respekt für ihn, und schlimmer: es trennt dich von deinem Selbst.

Die Folge: Dein Boot ist vielleicht in Seenot – weil der richtige Kapitän nicht an Bord ist, sondern „auf dem falschen Dampfer“!

…und Lösen

Nachdem dir so das Phänomen deiner Verschmelzung bewusst geworden ist, der verborgene „Gewinn“ aber auch der Preis, den es dich kostet, kannst du dich entscheiden, wo du hingehörst. An deinen eigenen Platz?

Dann steige aus und sage zu deinem „Chef“: Du bist Du, ich bin ich, Du hast deinen Job, ich habe meinen, Du hast deine Erwartungen und Überzeugungen und ich habe meine! Und meine sind ganz anders als Deine!“

Auch wenn sich das egoistisch oder respektlos anfühlt, es ist gesund, es ist dein gutes Recht!

Rückgabe des übernommenen Schweren

Wenn du auf Boot des Chefs warst, dann kennst du seine Verantwortung, seine Probleme und hast sie vielleicht getragen, als wären es deine eigenen? Du hast geglaubt, du könntest es besser? Eine Illusion! Und das hält dich fest, am falschen Platz.

Symbolisiert durch einen schweren Kieselstein kannst du dem Chef das Übernommene zurückgeben: „Chef, das sind deine Aufgaben, das sind deine Ansichten und Überzeugungen, vielleicht habe ich da etwas übernommen, als sei es mein Eigenes. Ich sehe jetzt, dass es zu dir gehört und ab heute lasse ich es bei dir!

Zurücknehmen der eigenen Energie

Vielleicht hast du dem Chef deinen ganzen Raum, deine ganze Aufmerksamkeit, deine ganze ENERGIE zu Verfügung gestellt? Er hat seine eigene Energie, er kann mit deiner Energie nichts anfangen! Aber DU kannst sie brauchen!

Möchtest du sie wieder zurück haben?

Das geht mit einer Übung aus dem QuiGong: Du holst symbolisch mit deinen geöffneten Händen deine eigene Energie aus dem Raum zurück, führst sie dreimal – die Handflächen übereinander gelegt – zu dir selbst zurück: zu deinem Herzen, zum Kopf, zum Bauch, zum Kreuzbein, je nachdem wo du deine Energie gerade „brauchst“!

Erstaunlich, wie tief die Wirkung ist!

Erster Kontakt zu den abgespaltenen Selbst-Anteilen

Spüre zu deinen Selbstanteilen: hättest du sie gerne näher bei dir? Lehnst du sie nicht mehr ab? Möchtest du mit ihnen verbunden sein?

Da ist dein erwachsenes Selbst, das frei, unbeschwert, unabhängig ist. Kennst du es? Magst du es? Oder ist es gefährlich? Vielleicht kriegst du dann Probleme mit deinem Chef? Vielleicht mögen dich dann manche nicht mehr?

Gehst du das Risiko ein?

Und dein kindliches Selbst? Es hat vielleicht viel ausgehalten: war alleine, einsam, verletzt, verwirrt, traurig, wütend? Was hätte es damals gebraucht?

Kannst du es in den Arm nehmen, ihm als Erwachsener heute das geben, was es damals gebraucht hätte? Schön, dass es dich gibt! Du bist ganz in Ordnung, so wie du bist! Ich lass dich nicht mehr alleine! Ich bin für dich da! Ich lasse nicht zu, dass du überfordert wirst! Ich sorge für dich, du sollst auch deinen Spaß haben!!

Dann nimm sie so nahe zu dir, wie dir möglich ist. Spüre wie du mit beiden Teilen gleichzeitig verbunden bist! Beides bist du! Da gibt es nichts zu verstecken oder zu entschuldigen! DAS BIST EINFACH DU, OB ES DEN ANDEREN GEFÄLLT ODER NICHT!

Gesunde Distanz zum Chef

Du kannst mit deinem Selbst nur verbunden sein, wenn du eine gesunde Distanz zu ihm, seinen Erwartungen und Überzeugungen hast. Das bedeutet NICHT (!), dass diese falsch oder irrelevant sind! Es sind einfach seine und nicht deine!

Wichtig ist, dass es eine klare Grenze zwischen dir und deinem Chef gibt. Du brauchst deinen inneren Raum. Und: es sollte nur „drin sein, was draufsteht“! Vielleicht ist dein Raum zu 75 % von deinem Chef, seinen Erwartungen und Vorstellungen besetzt? Bist du eine „Mogelpackung“? Kannst du unterscheiden zwischen „Selbst“ und „Nicht selbst“. Bist du bereit, deine Grenze zu schützen, auch gegenüber deinem Chef? Ja?

Das kannst du, auf einer symbolischen Ebene, in deiner Imagination selbst überprüfen. Stell dir vor, er kommt auf dich zu, und bevor er deine Grenze erreicht, schiebst du ihn mit voller Kraft zurück.

Das fühlt sich ungewohnt an? Verboten? Kalt? Respektlos?

Vielleicht ist dein Gefühl verwirrt? Das, was dich jetzt hemmt, ist ein „unbewusstes Abgrenzungsverbot“. Es ist der Kern des Symbosethemas.

Auch wenn sich das egoistisch oder respektlos anfühlt, es ist gesund, es ist dein gutes Recht! In diesem Falle ist es befreiend, sich nicht nach deinem – verwirrten – Gefühl zu orientieren, sondern nach deinem Verstand!

Wiederhole es, bis du deine Grenze mit voller Entschiedenheit schützen kannst.

(Dieses Ritual lässt sich noch besser real, mit einem Repräsentanten des Chefs vollziehen.)

Verbindung mit den abgespaltenen Selbst-Anteilen

Zum Schluss wendest du dich wieder zu deinen Selbst-Anteilen. Versuche jetzt, statt mit dem Chef, mit deinem Selbst „einz zu werden“, zu verschmelzen, besonders mit den Anteilen, die du glaubtest vor dem Chef verstecken zu müssen.

Jetzt fühlst du dich vollständig, ganz, heil.

Umgekehrtes“ Abgrenzungsritual

Menschen, die ihre eigene Grenze nicht gut spüren und schützen können, neigen auch dazu, die Grenzen anderer zu überschreiten – natürlich nur mit der besten Absicht!! – und sind tief gekränkt, wenn der andere sich dagegen wehrt, wenn er seine Grenze schützt.

Das gehört zum „unbewussten Abgrenzungsverbot“ dazu, es ist sozusagen die „andere Seite derselben Medaille“!

Gleiches Recht für alle! Wenn du deine Grenze schützen darfst, dann musst du dies Recht auch deinem Gegenüber zugestehen!

Stell dir vor, der andere schützt jetzt genauso seine Grenze dir gegenüber – oder lass deinen Assistenten den Part des Gegenübers übernehmen!

Wie fühlt sich das an?

Wiederhole diese Übung und im Anschluss daran kannst noch einmal deine Grenze gegenüber dem Anderen schützen!

Die Wirkung der gesunden Distanz

Nach diesem Prozess spürst du nach, wie sich dein Gefühl für dein Gegenüber – in unserem Beispiel deinen Chef – verändert hat.

Kannst du spüren, dass du mehr Achtung für ihn – aber auch für dich selbe hast?

Dass du ihn so lassen kannst, wie er ist – und dich selber nicht anpassen musst?

Das ist eine bessere Voraussetzung, um Differenzen auszuhalten und Konflikte durchzustehen!

Wenn du merkst, dass diese Rituale etwas in dir auslösen, und wenn du mehr davon spüren willst, empfehle ich dir, diese Schritte in therapeutischer Begleitung zu vollziehen!